Pflegepraktikum für potentielle Medizinstudierende

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Folgende Stellungnahme hat der Berufsverband Kinderkrankenpflege Österreich zum Vorschlag des Pflegepraktikums für potentielle Medizinstudierende verfasst.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl schlägt vor, den Aufnahmetest für das Medizinstudium durch ein einjähriges Pflegepraktikum zu ersetzen. Im Rahmen dieses Praktikums soll u.a. die soziale Eignung für ein Medizinstudium festgestellt werden und gleichzeitig würde dadurch der Personalmangel in der Pflege gemindert.

Für den Bereich der Kinder- und Jugendlichenpflege würde dieser Vorschlag bedeuten, dass 17 bis 18-jährige Maturant:innen, ohne medizinisch/pflegerisches Vorwissen in der Patient:innen-betreuung eingesetzt werden. Junge Menschen, welche meist noch keine Arbeitserfahrung und wenig bis keine Erfahrung im Umgang mit Heranwachsenden haben, sollen bei Kindern und Jugendlichen mit akuten oder chronischen bzw. seltenen Erkrankungen tätig sein.

Praktikant:innen in der Pflege zu begleiten bedeutet für Pflegepersonen, dass sie sich nicht nur intensiv mit der fachlichen Weiterentwicklung der Praktikant:innen auseinandersetzen, sondern auch, dass sie einer psychischen Überlastung vorbeugen müssen. Praktikant:innen anzuleiten, ihr Entwicklungspotential zu erkennen und zu fördern, ihnen Feedback zu geben, sodass sie sich weiter entwickeln können ist ein bedeutender Mehraufwand für Pflegepersonen. Praktikant:innen haben ein Recht auf eine enge und professionelle Begleitung im Rahmen des Praktikums, sodass sie dem Bereich nicht auf Grund von Überlastung schon nach kurzer Zeit den Rücken kehren.

Professionelle Pflege bedeutet nicht nur einzelne Tätigkeiten fachgerecht durchzuführen. Professionelle Pflege berücksichtigt bei der Durchführung die setting- und zielgruppen-spezifischen Bedürfnisse, beachtet aus der Krankheit resultierende Notwendigkeiten und Besonderheiten, zeigt Einfühlungsvermögen in die Lebenswelt der Patient:innen und ihrer Familien, beobachtet die Reaktion der zu Pflegenden und kann Reaktionen interpretieren und fachgerecht darauf reagieren.

„Essen bringen“ und „betten“ zählt schon lange nicht mehr zum Aufgabenbereich der Pflege. Werden dennoch einfache Tätigkeiten von der Pflege übernommen, geht es dabei nicht um die Durchführung, sondern darum, dass der/die Patient:in und die Familie in der selbstständigen Durchführung angeleitet werden und dadurch die Gesundheits- und Alltagskompetenz von Patient:innen und deren Familien gefördert wird.

Schon jetzt besteht die Möglichkeit ein freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren. Ein verpflichtendes Pflegepraktikum für Medizinstudierende wäre also eigentlich nur ein „Mittel zum Zweck“ und würde eine Mehrbelastung für die Pflege darstellen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der vieldiskutierte Vorschlag von Prim. Univ.-Prof. Dr. Kerbl nicht zu Ende gedacht ist und eine Mehrbelastung statt einer Verbesserung darstellen würde. Im Bereich der Pflege besteht kein Mangel an Praktikant:innen, sondern ein Mangel an ausgebildeten Pflegepersonen. Als BKKÖ wünschen wir uns, dass Vorschläge von Expert:innen aus dem Bereich der Pflege künftig ein ähnliches Ausmaß an Aufmerksamkeit erhalten.

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